In Zeiten intensivierter Bemühungen um Net-Zero-Emissionen hat sich die CO2-Bilanzierung, auch bekannt als Carbon Accounting, zu einer Best Practice für Unternehmen, Investoren und Regierungen entwickelt. Doch was genau versteht man darunter und welche Standards gibt es? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Aspekte des Carbon Accountings.
Was ist Carbon Accounting?
Carbon Accounting bezeichnet die Quantifizierung, Berichterstattung und Verifizierung von Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) oder im englischen Greenhouse-Gas-Emissions (GHG). Ziel ist es, Transparenz und Verantwortlichkeit im Klimaschutz zu schaffen. Eine CO2-Bilanzierung hilft Unternehmen dabei, ihre Emissionsquellen zu identifizieren, Reduktionspotenziale zu erkennen und ihre Klimaschutzbemühungen zu steuern.
Wichtige Standards und Rahmenwerke
Angesichts der Vielzahl verfügbarer Standards und Rahmenwerke kann die Auswahl des passenden Ansatzes eine Herausforderung darstellen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Systeme:
Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol)
Das GHG Protocol gilt als Goldstandard und ist das am weitesten verbreitete Rahmenwerk für die CO2-Bilanzierung.Es bietet umfassende Richtlinien zur Schätzung und Berichterstattung von THG-Emissionen in drei Bereichen:
- Scope 1: Direkte THG-Emissionen
- Scope 2: Indirekte Emissionen aus zugekaufter Energie
- Scope 3: Indirekte THG-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette
ISO 14064
Die Norm ISO 14064 der Internationalen Organisation für Normung (ISO) bietet einen systematischen Ansatz zur Validierung, Berichterstattung und Quantifizierung von THG-Emissionen. Sie gewährleistet Einheitlichkeit und Genauigkeit im Carbon Accounting und besteht aus drei Teilen:
- Anforderungen für THG-Inventare auf Organisationsebene
- Fokus auf Reduzierung oder Beseitigung von THG-Emissionen auf Projektebene
- Leitlinien zur Überprüfung von THG-Behauptungen
Science Based Targets initiative (SBTi)
Die SBTi unterstützt Unternehmen bei der Festlegung wissenschaftlich fundierter THG-Reduktionsziele. Diese Ziele sollen mit dem aktuellen Klimawissenschaftsstand vereinbar sein und dazu beitragen, die globale Erwärmung auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD)
Die TCFD gibt Empfehlungen für Unternehmen zur Offenlegung klimabezogener finanzieller Risiken und Chancen. Dies erhöht die Transparenz gegenüber Investoren und anderen Stakeholdern.
Carbon Disclosure Project (CDP)
Das CDP ist eine internationale Initiative, die Unternehmen und Städten die Möglichkeit bietet, ihre Umweltauswirkungen offenzulegen. Es fördert Transparenz und treibt Maßnahmen gegen den Klimawandel voran.
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Die EU hat diese Richtlinie erlassen, die große Unternehmen zu umfassender Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichten. Ziel ist eine bessere Vergleichbarkeit und Transparenz innerhalb der EU.
International Financial Reporting Standards (IFRS) S2
Dieser Standard bietet eine globale Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit besonderem Fokus auf klimabezogene Offenlegungen zur Unterstützung von Investitionsentscheidungen.
Global Reporting Initiative (GRI)
Die GRI etabliert ein System, das es Organisationen ermöglicht, über ihre sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu berichten. Dies erhöht die Verantwortlichkeit und Transparenz der Organisation.
Publicly Available Specification (PAS) 2060
Dieser Leitfaden spezifiziert die Mindestanforderungen für Unternehmen, um ihre Klimaneutralität nachzuweisen. Dazu gehören die Quantifizierung, Minderung und Kompensation von Emissionen.
Carbon Trust Standard
Diese anerkannte Zertifizierung für die Messung und Reduzierung von CO2-Fußabdrücken demonstriert das Engagement für ökologische Verantwortung.
Auswahl des idealen Rahmenwerks
Die Wahl des richtigen Carbon Accounting-Systems hängt von verschiedenen Faktoren ab4:
- Organisatorischer Umfang und Größe: Größere Organisationen oder solche mit komplexen Lieferketten profitieren möglicherweise von umfassenderen Systemen wie dem GHG Protocol oder ISO 14064.
- Regulatorische Verpflichtungen: Organisationen, die in Jurisdiktionen mit strengen Anforderungen wie der EU-CSRD tätig sind, unterliegen diesen lokalen Anforderungen.
- Branche: Bestimmte Sektoren können von branchenspezifischen Leitlinien profitieren, die von Standards wie SBTi oder GRI bereitgestellt werden.
- Berichterstattungsziele: Unternehmen, die Klimaneutralität anstreben, können PAS 2060 nutzen, während Unternehmen mit Fokus auf finanzielle Offenlegung TCFD verwenden können. Auch die Jurisdiktion spielt eine Rolle: Unternehmen in der EU und mit Geschäftstätigkeit in der EU unterliegen in der Regel der EU-CSRD.
Integration mehrerer Rahmenwerke
Die meisten Organisationen verwenden eine Kombination von Rahmenwerken, um verschiedene Compliance-, Stakeholder- und Geschäftsanforderungen zu erfüllen. Ein Unternehmen könnte beispielsweise das GHG Protocol für die Emissionsquantifizierung, SBTi für die Festlegung von Reduktionszielen und TCFD für die finanzielle Offenlegung nutzen.
Mit sich ändernden Vorschriften wird eine Harmonisierung der Standards erwartet, wie etwa die Konvergenz des International Sustainability Standards Board (ISSB) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS), was die Berichterstattung vereinfachen wird.
Vorteile des Carbon Accountings
Die Implementierung eines effektiven Carbon Accounting-Systems bringt zahlreiche Vorteile mit sich:
- Regulatorische Compliance: Erfüllung gesetzlicher Anforderungen und Richtlinien wie der CSRD.
- Nachhaltige Lieferketten: Identifikation von Prozessen und Lieferanten mit hohen Emissionen zur gezielten Optimierung.
- Transparenz für Investoren: Stärkung des Vertrauens und Eröffnung neuer Investitionsmöglichkeiten.
- Verbessertes Image: Positionierung als klimabewusstes und innovatives Unternehmen.
- Kostenersparnis: Aufdeckung ineffizienter Prozesse und langfristige Kosteneinsparungen durch Effizienzsteigerungen.
- Innovationspotenziale: Anreize zur Entwicklung umweltfreundlicherer Technologien und Prozesse.
Fazit
Effektives Carbon Accounting ist für Organisationen, die sich dem Klimaschutz und der Nachhaltigkeit verschrieben haben, von entscheidender Bedeutung. Mit den richtigen Standards und Rahmenwerken können Unternehmen die Transparenz erhöhen, Vorschriften einhalten und einen bedeutenden Beitrag zu globalen Klimazielen leisten. Die CO2-Bilanzierung ist nicht nur ein Instrument zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen, sondern auch ein strategisches Werkzeug für nachhaltiges und zukunftsorientiertes Wirtschaften.