Der Begriff der Nachhaltigkeit ist in der Unternehmenskommunikation allgegenwärtig, doch nicht jede „grüne“ Behauptung hält einer kritischen Prüfung stand. Für Stakeholder wird es zunehmend komplexer, zwischen authentischen Fortschritten, ambitionierten Versprechen und reinem Marketing zu unterscheiden. Um solche Fallstricke zu vermeiden, bedarf es nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch eines soliden Verständnisses typischer Muster missverständlicher oder irreführender Nachhaltigkeitskommunikation.
Sechs gängige Formen des Greenwashings
Greenlighting – Positive Nebelkerzen statt substanzieller Fortschritt
Unternehmen rücken gezielt kleinere Umweltinitiativen in den Vordergrund, um gravierendere negative Umweltauswirkungen zu kaschieren. Ein typisches Beispiel: Eine Fluggesellschaft hebt Papierstrohhalme und vegane Menüs hervor, während der emissionsintensive Flugverkehr im Kerngeschäft unverändert bleibt. Solche „kleinen Verbesserungen“ sind isoliert betrachtet lobenswert, dürfen aber nie von zentralen Herausforderungen ablenken.
Greenhushing – Verschweigen statt verantwortungsvoller Kommunikation
Aus Angst vor Kritik oder Verunsicherung verzichten manche Unternehmen auf die öffentliche Darstellung ihrer Umweltmaßnahmen oder Fortschritte. Dies kann aus Vorsicht oder Unsicherheit erfolgen, ist aber für Stakeholder weder hilfreich noch vertrauensbildend. Nur durch Transparenz lässt sich nachhaltiges Vertrauen aufbauen.
Greenrinsing – Ziele beliebig verschieben
Ständige Anpassungen oder Verschiebungen von Nachhaltigkeitszielen dienen mitunter dazu, sich einer verbindlichen Bewertung zu entziehen. Die Strategie: Das eigene Engagement betonen, ohne konkrete Ergebnisse zu liefern. Werden Ziele – etwa der Umstieg auf zertifiziertes Palmöl – immer wieder nach hinten verschoben, lässt das an Verbindlichkeit und Glaubwürdigkeit zweifeln.
Greenshifting – Verantwortung auf Verbraucher abwälzen
Unternehmen lenken ab, indem sie KonsumentInnen zur Verhaltensänderung aufrufen, ohne die eigenen Prozesse ausreichend zu hinterfragen. Wer etwa KundInnen auffordert, eigene Einkaufstaschen mitzubringen, dabei jedoch weiterhin Produkte in übermäßigen Kunststoffverpackungen anbietet, trägt wenig glaubwürdig zur Problemlösung bei. Unternehmen stehen in der Pflicht, als Vorbild zu agieren.
Greencrowding – Im Kollektiv verstecken
Durch die Mitgliedschaft in branchenweiten Nachhaltigkeitsinitiativen suggerieren Firmen Engagement, ohne selbst wesentliche Fortschritte zu erzielen. Die Zugehörigkeit zu Allianzen darf niemals als Feigenblatt für fehlende eigene Aktivitäten missbraucht werden.
Greenlabelling – Irreführende Siegel und Begriffe
Die missbräuchliche Verwendung von Begriffen wie „umweltfreundlich“, „natürlich“ oder „klimaneutral“ auf Produkten ohne belastbare Nachweise gehört zu den gravierendsten Formen des Greenwashings. Solche nicht oder nicht ausreichend durch unabhängige Instanzen geprüften Auslobungen täuschen KonsumentInnen und erschweren verantwortungsbewusste Kaufentscheidungen beträchtlich.
Greenwashing erkennen und vermeiden
Die Vielzahl an Nachhaltigkeitsversprechen erschwert es VerbraucherInnen und GeschäftspartnerInnen, echtes Engagement von Scheinlösungen zu differenzieren. Daher gilt:
- Prüfen Sie die Nachvollziehbarkeit von Umweltaussagen. Werden konkrete, messbare Kennzahlen und Fortschritte veröffentlicht?
- Unternehmen mit ernsthaftem Nachhaltigkeitsanspruch dokumentieren langfristige, überprüfbare Veränderungen – nicht nur wohlklingende Schlagworte.
- Innovationsbereitschaft und kontinuierliche Verbesserung benötigen Zeit, doch mangelnde Perfektion allein ist kein Beweis für Greenwashing. Offenlegung und Fortschrittsberichte schaffen Glaubwürdigkeit.
Die Rolle regulatorischer Rahmenbedingungen und unabhängiger Instanzen
Durch strengere gesetzliche Vorgaben – wie die EU-Green Claims Directive – wird die Beweislast für Unternehmen verschärft. Wer mit umweltbezogenen Versprechen wirbt, muss diese künftig substanziell und transparent belegen. Allgemeine Werbeaussagen („klimaneutral“, „biologisch abbaubar“ etc.) sind nur noch zulässig, wenn sie klar begründet und nachprüfbar sind.
Unabhängige Gütesiegel, wie Fairtrade, FSC oder Energy Star, spielen eine zentrale Rolle, da sie eine externe Bewertung auf Basis definierter Standards ermöglichen. Ebenso empfiehlt sich der Blick in unabhängige Berichte anerkannter Umweltorganisationen wie Greenpeace oder BUND, um sich ein realistisches Bild vom Nachhaltigkeitsengagement eines Unternehmens zu verschaffen.
Fazit
Greenwashing bleibt eine Herausforderung für Unternehmen, VerbraucherInnen und die Gesellschaft insgesamt. Nur wer kritisch hinterfragt, Transparenz fordert und auf glaubwürdige Nachweise achtet, kann echte Transformation von Scheinlösungen unterscheiden. Es liegt sowohl am Gesetzgeber als auch an allen Marktakteuren, klare Rahmenbedingungen zu setzen und Fortschritte sichtbar zu machen, um echte Nachhaltigkeit zu fördern und zu honorieren.