Meine Geschäftspartner und ich haben bei der Überprüfung von Lieferanten viele sogenannte „Potemkin’sche Dörfer“ gesehen. Diese sind nach Grigorij Potemkin benannt, einem russischen Staatsmann, der im 18. Jahrhundert angeblich gefälschte Dörfer errichtete, um Katharina die Große bei ihren Besuchen „über Land“ im Zarenreich zu beeindrucken. Der Begriff „Potemkin’sches Dorf“ bezieht sich seitdem auf eine Fassade, die geschaffen wurde, um andere zu täuschen, insbesondere um von Missständen abzulenken oder diese zu vertuschen.

In den Bereichen Wirtschaftsethik und Lieferkettenmanagement verwende ich den Begriff „Potemkin’sches Dorf“, um ein Unternehmen zu bezeichnen, das einen falschen Anschein von Verantwortung und Nachhaltigkeit erweckt, ohne sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um soziale und ökologische Probleme in seinem Betrieb anzugehen. Während dieses Unternehmen für seine Stakeholder „eine gute Show abzieht“, ist nichts so schön, sauber oder gut, wie es scheint.

Daraus ergibt sich ein interessantes Paradoxon: Die Zeit und Energie, die für den Bau eines „Potemkin’schen Dorfes“ aufgewendet wird, könnte besser in langfristige Verbesserungen der sozialen und ökologischen Praktiken der Einrichtung investiert werden.

Der Aufbau dieser künstlichen Fassaden ist zeitaufwändig, kostspielig und langfristig nicht tragbar. Anstatt den Schein zu wahren und Kunden und Geschäftspartner zu täuschen, ist es effektiver und effizienter, wenn die Lieferanten ihre Zeit und Mühe in die wirkliche Bewältigung sozialer und ökologischer Probleme in ihren Betrieben investieren.

Lieferanten können einen guten Ruf aufbauen, die Kundentreue stärken und ihre finanzielle Leistung langfristig verbessern, indem sie sich aktiv um diese Themen kümmern. Darüber hinaus können Lieferanten, die sich mit sozialen und ökologischen Fragen befassen, zu positiven sozialen und ökologischen Ergebnissen beitragen und helfen, eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Lieferkette aufzubauen.

Was sollten Sie tun, wenn Sie feststellen, dass einer Ihrer Lieferanten in Ihrer Lieferkette Sie über seine Arbeitsabläufe und Standards getäuscht hat? Sprechen Sie die Situation konstruktiv und professionell an. Hier sind einige Tipps, was Sie konkret unternehmen können:

1. Sammeln Sie Beweise: Sammeln Sie zunächst alle Beweise, die Sie haben, um Ihre Behauptung zu untermauern. Dazu können Dokumente, Fotos oder Zeugenaussagen (z. B. von Ihren Mitarbeitern, die beim Lieferanten vor Ort waren, oder von Hinweisgebern) gehören.
2. Bestätigen Sie Vermutungen (z. B. durch eine Prüfung vor Ort durch lokale Social Due Diligence Spezialisten, oder eine Grassroot-Befragung der Mitarbeiter Ihres Lieferanten) und vergewissern Sie sich, dass Sie alle Fakten kennen, bevor Sie Ihren Geschäftspartner auf das Thema ansprechen stellen. Dies wird Ihnen helfen, selbstbewusst und klar zu kommunizieren.
3. Kommunizieren Sie klar und ruhig: Gehen Sie ruhig und professionell auf den Ihren Geschäftspartner zu und teilen Sie ihm Ihre Bedenken und die Beweise mit, die Sie zur Untermauerung Ihrer Ansprüche haben.
4. Bieten Sie eine Lösung (oder die Mitarbeit an einer Lösung) an: Nachdem Sie Ihre Bedenken geäußert haben, bieten Sie eine Lösung oder einen Ausweg an. Sie könnten zum Beispiel vorschlagen, dass der Anbieter mit Ihnen zusammen einen Plan entwickelt, um die von Ihnen festgestellten Probleme zu lösen.
5. Suchen Sie konstruktiv nach einer Lösung: Arbeiten Sie mit dem Lieferanten zusammen, um eine Lösung zu finden, die Ihre Bedenken ausräumt und den Bedürfnissen beider Parteien gerecht wird. Dies könnte zum Beispiel die Einführung neuer Richtlinien, Prozesse oder Schulungsprogramme beinhalten oder die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten.
6. Holen Sie sich guten Rat: ziehen Sie Kommunikationsspezialisten, die sich auf die Lieferkette spezialisiert haben, und einen Anwalt Ihres Vertrauens (einen Profi für Lieferkettenthematiken) hinzu.
7. Und schauen Sie auch selbst in den Spiegel: inwiefern trägt Ihre Einkaufspolitik zu Missständen bei? Kaufen Sie immer „nur zum besten Preis“ und nehmen dabei in Kauf, dass Ihr Lieferant zu diesem Preis überhaupt nicht unter der Wahrung der Menschenrechte, dem Schutz der Umwelt, und der Einhaltung der lokalen Gesetze und Regeln arbeiten kann? Hier verweise ich gerne auf meinen vorigen Artikel zum Thema Wirtschaftsethik.

Fazit

Anstatt einen falschen Anschein zu erwecken, um Geschäftspartner zu täuschen, ist es für Unternehmen effektiver und effizienter, soziale und ökologische Belange nach lokalem Recht und Gesetz zu beachten und im Unternehmen nachhaltig umzusetzen. Wenn Sie erfahren, dass einer Ihrer Lieferanten Sie getäuscht hat, packen Sie die Angelegenheit konstruktiv und professionell an. Validieren Sie die Vermutungen und sammeln Sie Fakten (z. B. durch eine Social Due Diligence oder eine Grassroot-Befragung vor Ort). Kommunizieren Sie klar und ruhig, um eine Lösung zu finden, die Ihren Bedenken Rechnung trägt und den Bedürfnissen beider Parteien gerecht wird. Und last but not least: ziehen Sie Kommunikationsspezialisten, die sich auf die Lieferkette spezialisiert haben, und einen Anwalt Ihres Vertrauens (einen Profi für Lieferkettenthematiken) hinzu. Ihr guter Ruf steht auf dem Spiel, oder nicht?